Völlig kleinkariert – Herrenmode ist ja so langweilig!

Vor einer Weile brauchte mein Partner neue Schuhe und ich sagte spontan: “Ich komm mit.” Das hätte ich früher nicht gesagt, weil mich tatsächlich Schuhekaufen eher nervte. Doch mit 48 entdeckte ich meinen mir angeborenen Schuhtick und habe seitdem Nachholbedarf. Wenn ich früher maximal 2 Paar Schuhe pro Saison stetig trug und zu besonderen Anlässen das eine Paar Pumps hervorkramte, um bei 5 cm Absätzen nach 30 Minuten schon maximal zu jammern, kann ich heute meine Tage nicht nur mit der Frage “was ziehe ich heute an” gestalten, sondern auch noch “und welche Schuhe passen dazu?”. Ich krieg es auch locker hin, mir erst die Schuhe auszusuchen, weil es dieses eine Paar unbedingt sein muss und dann vor dem Kleiderschrank zu stehen.

Doch zurück zu meinem Partner. Wir fuhren also in das regionale Schuhgeschäft und teilten uns gleich nach Durchschreiten der Eingangstür auf. Er nach links zu den Herren und ich zielstrebig nach rechts zu den Damen Gr. 39. In weniger als 10 Min hatte ich bereits 3 Paar Schuhe, die mir gefielen und ich humpelte zur Herrenabteilung, denn ich mußte sie unbedingt zeigen. Mein Partner hatte auch bereits schon ein Paar ausgesucht, aber ganz ehrlich – die sahen genauso aus wie seine alten Schuhe. Und da wurde mir mal wieder gewahr, wie sehr einem die Männer doch leid tun können. Die Auswahl an Form, Farbe und Absatzhöhe ist so gering. Mein Mitleid, welches ich im Laden noch vor der Verkäuferin kund tat, regte lediglich das Gespräch zwischen der Verkäuferin und mir an, während mein Partner es völlig überflüssig hielt. Natürlich gibt es mittlerweile auch bei der Herrenmode Designer, die ausfällige Stücke kreieren, aber die meisten Männer, die ich kenne, bleiben bei dem, was sie haben und kennen. Vorallem in der Büromode, wo es mit Sicherheit auch angebracht ist. 
Mein “ich-kauf-das-gleiche-Schuhmodell-nochmal-Mann” gab mir nun vor einer Weile ein Hemd von sich, dass mal wieder am Ellenbogen aufgerissen war. Ein paar von diesen Hemden hatte ich für ihn schon mit Wildlederflicken repariert, doch noch mehr wollte er nicht, ich hingegen wollte das Hemd, um mal zu sehen, was man alles daraus machen kann.

Seit ich das Frackhemd zu einer Sommerbluse umgearbeitet hatte, war ich neugierig, was sich noch
so alles mit Hemden anstellen läßt. Da gibt es ja schon viel im Netz zu sehen. Kissenhüllen, Taschen, Taschenfutter, Täschchen, Etuis, Röcke, Kleider, usw. Mein Ziel war aber, das Hemd so umzufunktionieren, dass es am Ende so aussieht, als hätte es eigentlich nie etwas anderes sein sollen, als das, was ich daraus gemacht habe. 
Im Überblick
Im Einzelnen:

Da ich mit dem Wandlungsprozeß zu schnell war, konnte ich kein Foto mehr von dem Zwischenleben als Herrenoberhemd mehr machen. Darum habe ich hier jetzt ein Foto von dem nächsten Hemd, das auf seine neue Bestimmung wartet – nur falls jemand gerade nicht im Kopf hat, wie ein normales und von mir nicht gebügeltes Hemd aussieht.
Mein erster Schritt war, die Ärmel aus dem Hemd zu trennen. Solange ich nicht genau weiß, was aus einem Stück werden soll, trenne ich die Nähte auf. Dann legte ich die Teile vor mir auf dem Boden aus und begann zu experimentieren. Auch dazu gibt es keine fotografische Prozessdokumentation. 
Irgendwann bemerkte ich, dass die Ärmellöcher, wenn auch die Schulternaht geöffnet ist, im Prinzip schon den Schritt einer Hose haben und von dem Moment nahm mein Projekt Gestalt an. 
Das ist der erste grobe Entwurf, nachdem ich die Ärmelausschnitte zum Hosenschritt gesteckt hatte. Von hier aus ging die Arbeit dann eher etwas langsamer voran, weil ich noch andere Projekte hatte, aber das war auch gut, denn so konnte in meinem Kopf langsam die Idee entstehen, wie ich die Hose haben wollte. Letztlich wurde sie eine Shorts. Ich wollte am Ende so viele Elemente des Hemds in der Shorts haben, wie möglich. Am Ende habe ich lediglich “nur” den Faden und meine Zeit zugefügt. Selbst der ursprünglich eingeplante Reissverschluss ist weggefallen, weil ich die Knopfleiste vorne verwendet habe. Dazu habe ich lediglich ein weiteres Knopfloch eingearbeitet, weil die Abstände der der Knopfleiste etwas zu groß waren. 
Der Kragen bildet nun die vordere Blende. Ich habe ihn in der Mitte durchgeschnitten und dann mit einem Stück der Rückenpasse verlängert. Selbst Bügeleinlage war unnötig, weil alles noch im Hemd vorhanden. 
Die Brusttasche wartet lediglich noch darauf, hinten als Gesäßtasche eine neue Bestimmung zu bekommen, aber sonst ist alles fertig.
Die Ärmel samt Manschetten sind jetzt aufgesetzte Cargotaschen
Die anderen Varianten, die mir noch vorschwebten, werde ich dann am nächsten Hemd ausprobieren. 
Nachträge:
Nachtrag 1 
Beim Betrachten der Bilder ist mir aufgefallen, dass das kleinkarierte Material auf den Fotos diese komische Wandlung annimmt, weshalb Zuschauer in Fernsehstudios angehalten werden, tunlichst auf solche Muster zu verzichten. Wäre jetzt in meinem Fall und der Bestimmung beim Fotoshooting nicht so optimal gewesen. Ich bitte das zu entschuldigen.

Nachtrag 2

Die Kombination von kräftigen Kerl mit XL Maßen und eher schlanker Frau mit Größe S ist bei diesem Model sehr zuträglich. Keine Ahnung, wie es sich andersrum gestaltet. Also viel Hemd für wenig Frau war schon ganz passend.
Nachtrag 3
Der Schuhkauf ging übrigens so aus: Mann kaufte 3 Paar Schuhe, ich keine weil a) konnte mich nicht entscheiden, b) für 4 Paar Schuhe kein Geld. Aber ich schwöre, die sahen alle toll aus, auch wenn ich mich schon nicht mehr erinnere, welche ich Moment des Anprobierens für absolut unentbehrlich hielt. 
Nachtrag 4
Völlig Zusammenhangslos mit allem, was ich bisher heute geschrieben habe, aber eben ertappte ich mich mal wieder genau hierbei. Die ganze Geschichte dazu ist im Beitrag von gestern über Mug Rugs zu lesen. Das Bild ist nicht manipuliert. Von links nach rechts:
Kaffeebecher, im mitlleren Vordergrund Kaffeerand, Becherkissen aka Mug Rug.

14 Kommentare

  1. Das ist ja eine tolle, aufwendige Umschneideraktion. Das “Rezept” merke ich mir. Der Kragen am Bund gefällt mir besonders gut, und de Taschenlösung ist einfach genial. Bitte setz' noch einen Link zurück zum MMM.

    viele Grüße! Lucy

  2. Danke Sandra! Du kennst es wahrscheinlich auch – man hat eine Idee, unsicher ob es was wird und dann wird es was! Hier war ich am Ende selbst ganz überrascht und glücklich.
    Liebe Grüße, Julia

  3. Hallo Lucy, wir hatten ja schon per Mail geschrieben, weil ich in der Bahn irgendwo zwischen Frankfurt und Hamburg im digitalen Nirgendwo war, wo gerade mal in Bahnhofsnähe eine wackelige Verbindung aufkam. Backlink ist gesetzt und ich danke Dir für Deinen Kommentar.
    Liebe Grüße, Julia

  4. Liebe Iris,
    vielen Dank. Ich bin auch froh, dass ich meinen ersten Gedanken nicht umgesetzt, sondern erst den 3. Gedanken zu den Manschettenärmeln gewählt habe. Zum Glück sind ja noch einige Hemden da, bei denen ich dann mit Gedanke 1 und 2 herumprobieren kann. Aber hier war ich in erster Linie eigennützig orientiert, weil ich auf diese Art Cargotaschen stehe.
    Liebe Grüße Julia

  5. Hallo Maria, ich war zwar schon ein paar mal auf Deiner Seite (gefällt mir sehr), bin aber erst heute auf EiNaB aufmerksam geworden. Freue mich über diese Linksammlung.
    Liebe Grüße und schöne Feiertage, Julia

  6. Das Hemd ist ja überhaupt nicht wieder zu erkennen. Eine supertolle Verwandlung. Hut ab!!! Das sieht sowas von schick aus – als wäre es schon immer eine Hose gewesen.
    Danke fürs teilen <3
    liebe grüße
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  7. Hallo Marlene,
    vielen Dank für Deinen Kommentar und die Möglichkeit, bei #EiNaB verlinken zu können.
    Einen schönen Start in die neue Woche,
    Julia

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