Während ich Ende März noch die rosa Stoffreste vom Boden sammelte, die rosa Flusen aus den Nähmaschinen holte und viele Bloggerinnen auf der h&h in Köln waren, verkündete Tweedandgreet-Bloggerin Selmin die neue Farbe für 12coloursofhandmadefashion:
GELB
“Ach, gelb….” dachte ich noch so ganz unvoreingenommen, einfach weil die Anspannung über die Verkündung der neuen Farbe erstmal vorbei war. Dann sickerte es so langsam von meiner Initialwahrnehmung (wo auch immer die sitzt) in den Bereich meines Hirns, der für die Verarbeitung von Nachrichten zuständig ist. Scheinbar streifte die Neuigkeit dabei ausversehen die Mandelkerne (Teil des Hirns, der u.a. für Angst und Panik zuständig ist) und mir fielen spontan nur alte, längst der Altkleidersammlung zugeführte Kleidungsstücke ein, die ich allein deshalb ausrangiert hatte, weil sie gelb waren. Ich mag Gelb als Farbe sehr, aber als Kleidung??? Ich hatte immer das Gefühl, sie steht mir nicht oder fühlte mich aus anderen Gründen darin Unwohl. Mein weltbester Partner, erinnerte mich dann aber an ein knallgelbes Leinenkleid, das ich schon hatte, als wir uns erst kurz kannten. Es war lang, hatte Größe 38 und war mir ein paare Jahre später viel zu klein. Es fristete im Keller sein Dasein im Schrank, machte sogar einen Umzug mit und kam erst letztes Jahr wieder zum Vorschein, als ich wieder reinpasste. Nur die Länge hatte mir eigentlich noch nie so richtig gefallen. Mit einer Größe von 1,76 m sind viele Kleider wie auch Hosen oft nicht lang genug. Und das Kleid hing irgendwo zwischen Knöchel und Knie, mehr in Richtung Knöchel. Kurzerhand kürzte ich es letztes Jahr, machte es ein bißchen enger und alles war gut. Und somit wurde dieses Kleid mein absoluter Notnagel für das Motto “Gelb”, denn immerhin hatte ich es abgeändert.
Ich meine, es ist ja nicht so, dass wir gezwungen werden, das ganze Jahr bei dieser Challenge mitzumachen, aber irgendwann ist der Ehrgeiz geweckt und man hatte ja auch schon viel Spaß, da will man weder klein bei noch ganz aufgeben (und sei es nur für einen Monat).
Zudem gab es bei Tweedandgreet so viele schöne gelbe Farbtöne, dass ich mich sehr schnell anstecken ließ und schon bald in einem Gelbfieber war, was zuletzt schon an Gelbwahn grenzte (dazu weiter unten mehr).
Ich durchsuchte die Online-Stoffläden, bevorzugt die, die auch Farbfilter hatten.
Mehr per Zufall stieß ich bei Stoffe Hemmers auf einen gelben Spitzenstoff, der zudem noch runtergesetzt war und bestellte ihn spontan ohne auch nur einen Ahnung zu haben, was ich daraus machen sollte. Bis zur Lieferung des Stoffes fuhr ich in mein Lieblingsstoffgeschäft “Das Königskind” und klagte dort mein Leid… “Ich brauche Gelb… gelben Stoff… ” und was sah ich? Wundervolle Stoffe, einer schöner als der andere. Ich hatte binnen Sekunden schon ein ganzes Outfit vor Augen, nur keiner von ihnen war gelb oder beinhaltete auch nur Nuancen, Fasern von gelb… bis ich auf den gelben Leinenstoff aufmerksam gemacht wurde. Ein tolles Gelb. Nicht zu knallig, nicht zu hell – irgendwie toll. Und dann noch Leinen. “Ja, daraus mache ich eine Shorts!”
Ich hatte jetzt also 2 gelbe Stoffe. Einen aus Spitze und einen aus Leinen. Als ich den Spitzenstoff bekam, hatte ich auch sofort eine Ahnung, was ich daraus mache. Eine Tunikabluse mit Trompetenärmeln.
Der Schnitt war schnell von einem alten Tunikashirt abgenommen und auf den Spitzenstoff übertragen und angepasst.
Spätestens beim Blick auf meinen Garnvorrat wurde mir bewußt, dass ich bisher so gut wie nie Gelb vernäht hatte. 2 kümmerliche Gelbtöne schlummerten dort und keiner traf den Ton vom Spitzenstoff. Und es war Sonntag! Ich griff zu dem, der dem Ton am nächsten kam und nähte drauf los. Da war sie wieder, meine Ungeduld. Aber es ging gut.
Meine gelbe Spitzentunika war um Ostern herum fertig und ich war entspannt. Hippiemäßig entspannt.
![]() |
John Travolta lässt grüßen, auch wenn ich den Film nie gesehen habe |
So entspannt und mittlerweile vom Gelb infiziert, dass ich mir letztes Wochenende dann noch den Leinenstoff für die Shorts vornahm. Das Schnittmuster lag schon parat und von jetzt auf gleich, aus welchen Gründen auch immer, entschied ich mich für eine gelbe, ärmellose Leinenbluse. Die und nichts anderes. Schnittmuster dafür: Keins. Lediglich eine Kaufbluse vom letzten Jahr, die ich gern angezogen hatte. Schnitte abnehmen kann ich ganz gut, solange es sich um Shirts usw. handelt. Bei den Abnähern geriet mein Projekt für einen Moment ins Stocken, weil ich jetzt nicht wußte, wie ich die übertragen sollte, ohne die Bluse aufzutrennen. Ich wälzte ein paar Bücher und bewältigte auch diese aus fehlendem logischen Denkvermögen hervorgerufene Widrigkeit.
![]() |
Hier in Kombination mit meiner Oberhemdshorts |
Am Montag war die Bluse fertig und ich zeigte sie meinem Freund, der dann aber meinte, dass der Kragen zu groß geworden wäre und er hatte recht. Plötzlich sah ich nur noch den Kragen. Er wuchs gedanklich auch auf die Dimensionen des Kragens von Graf Zahl aus der Sesamstrasse (erinnert sich noch jemand an ihn?). Doch ich hatte absolut keine Lust, die von Hand angenähte letzte Naht nochmal aufzutrennen, dann die nächste Naht usw. Mein Partner half auch nicht unbedingt mit dem Kommentar “Schneid doch einfach ein Stück ab…”
Wie so oft schlief ich erstmal eine Nacht drüber. Dienstag dann hatte ich um 11.00 Uhr morgens einen Termin und wollte danach noch Knöpfe für die Bluse kaufen. Ich setzte mich ins Auto und es gab nur ein leises Stöhnen von sich. Der 2. und 3. Versuch wurde nicht besser. Mir blieb nichts anderes übrig, als den Termin abzusagen. Bus und Bahn hätte mich frühestens 2 Stunden später hingebracht. Der Automechaniker meines Vertrauens ging nicht an sein Handy und nun saß ich da und erinnerte mich daran, dass ich schon seit zig Jahren Mitglied beim ADAC bin. “Hallo, mein Auto springt nicht an.” – “Keine Sorge, wir schicken jemanden.” Wie in der Werbung!
Der nette Mann kam, stellte fest, es ist die Batterie und bot mir Starthilfe an. Mit der gelben Bluse in der Tasche auf dem Beifahrersitz, für die gelbe Knöpfe brauchte, sehe ich nun den gelben ADAC Wagen vor mir und denke: “Jetzt bin ich endgültig im Gelbwahn – ich rufe schon die gelben Engel!”
Schließlich erreichte ich den Automechaniker, fuhr hin und konnte mein Auto heute wieder in Empfang nehmen.
Es ist erstmal fahrbar, dafür war die Reparatur umsonst. Wenn wir im Mai im Urlaub sind, kann er sich in Ruhe um eine neue Batterie und auch den undichten Kühlwasserbehälter kümmern, was er so ganz nebenbei bemerkte.
Knöpfe, wenn auch nicht die, die mir vorschwebten, fand ich im Wollgeschäft hier im Ort und die gewonnene Zeit, die ich durch den abgesagten Termin hatte, nutzte ich dann, um den Kragen doch nochmal ganz aufzutrennen, zu kürzen und wieder anzunähen.
Ich bin jetzt gespannt, ob sich ähnliche ‘Dramen’ bei anderen abgespielt haben und vor allem, was Euch zu Gelb eingefallen ist. Die Teaser bei Instagram waren schon sehr vielversprechend.
Uffz, soviel Text über eine Farbe!!! Wer es bis hierher mit dem Lesen geschafft hat: Respekt!
Gerade habe ich nachgezählt, auf den Fotos sind insgesamt 6 verschiedene selbstgenähte Sachen.
Stoff: Gelbe Spitze Stoffe Hemmers, gelbes Leinen Das Königskind in Friedberg
Verlinkt mit Rums
Hallo Julia,
deine Gelbe-Engel Story und dein Gelb-Drama hat mich doch sehr zum Lachen gebracht! Manchmal gibt es solche Tage…. schön wenns vorbei ist und man drüber lachen (und bloggen) kann.
Deine beiden gelben Teile finde ich toll! Sie stehen dir wirklich gut! Das Drama hat sich also aus meiner Sicht gelohnt. *gg*
Ich habe auch die HH-Matte entdeckt, passend zur Matrosen-Hemd-Hose. 🙂
Gelb hatte ich bis jetzt überhaupt nicht auf den Plan für Klamotten… das hat sich jetzt aber definitiv geändert! Du zeigst hier ja sehr schön, wie wandelbar und kombinierbar die Farbe ist! Toll!
Liebe Grüße
Jenni
Liebe Julia!
Deine Tunika ist wirklich sehr toll geworden. Wenns jetzt dann endlich wärmer wird ziehst du damit sicher viele Blicke auf dich. Die Leinenbluse steht dir auch hervorragend. Gut gelungen. Tja, und der gelbe Engel war ja wirklich einer, denn so konntest du dich nochmal dem Kragen widmen. Das war wohl auch ein Zeichen von oben:-) Ich hoffe es wird nicht allzu teuer 😉 Dein Beitrag ist echt unterhaltsam, eine Freude zu lesen! Und ja, du hast absolut Recht: Auf keinen Fall kann man einmal einen Monat auslassen, nur weil einem die Farbe nicht so liegt 😀
Ganz liebe Grüße
Kicki
ja auch ich musste herzlich Lachen tolle Story, aber lass mal das kenne ich. Alles verschwört sich gegen einen. Aber ich muss Dir sagen, Deine Teile sind mega toll geworden.
Gefallen mir beide sehr gut. Herzlichen Gruß Sylvia
Liebe Jenni,
ich hatte Dir ja schon mehr oder minder in Deinem Blog geantwortet. Die Wandelbarkeit und Kombinationsmöglichten haben mich auch sehr überrascht.
Im Moment nähe ich zwar gerade Nicht-Gelb, aber da kommt noch was. Insbesondere der gelb/weis karierte Stoff.
Liebe Grüße,
Julia
Liebe Kicki,
ich habe es auch am Ende als Fügung des Schicksals gesehen. Zumal mich die Reparatur erstmal nichts gekostet hat. Das Auto läuft, wird aber während meines Urlaubs auf Vordermann gebracht. Dann wird es etwas teurer, aber das wird sich in Grenzen halten.
Hihi, das mit dem Auslassen einer Farbe geht jetzt nicht mehr… da steckt man schon so tief drin und würde an der eigenen Ehre kratzen. Aber letztlich war das mit Gelb ja auch sehr lehrreich. Ich hätte diese Teile sonst nie genäht. Jetzt freue ich mich darüber.
Ganz liebe Grüße,
Julia
Hallo liebe Sylvia,
das schöne am Bloggen ist ja, dass man alles rückwirkend betrachten kann und man erinnert sich praktisch wie in einem Film an sich und die Erlebnisse und die zeigen zumindest bei mir oft manche humoreske Züge. Und lieber lache ich später darüber, als mich zu ärgern. Noch schöner ist es, wenn man andere damit auch zum Lachen bringt.
Danke für Deine Worte.
Liebe Grüße, Julia
Heeeeerrlich! Erstmal die Story. Zum Zerkugeln.
Aber die Farbe.. die steht dir tooootal gut! Ich find ja die Spitzentunika besonders spitze.
Danke! Und um noch eins draufzusetzen: Der gelbe Leinenstoff, der ja eine Shorts werden sollte, dann eine Bluse wurde, weil ich der Meinung war, ich habe genug Shorts, liegt jetzt wieder vorrätig bei mir und will nun doch Shorts werden.
[…] es aber auch… und da bin ich letztlich durchaus beeinflussbar. Meine gelbe Tunika, die ihr hier sehen könnt, nähte ich im Rahmen der 12 Colours of Handmade Fashion und war anfangs gar nicht […]
[…] sind gefühlt alle verrutscht. So war der Dienstag der gefühlte Montag usw. Es mag an dem Gelb der 12 Colours of Handmade Fashion gelegen haben, denn darauf hatte ich jetzt einen Monat lang […]