Wenn man diesen Sommer anhand meiner seit Juni entstandenen Kleidung beurteilt, war er gigantisch. Das ist eine Sichtweise. Wenn ich aber erwähne, dass ich vorwiegend bei schlechtem Wetter genäht habe, kommen wir der Sache schon etwas näher.
Ich liebe das Frühjahr und den Sommer. Wenn es nach mir ginge, könnten wir bis Anfang Dezember immer um die 25 Grad haben. Dann für die Weihnachtsstimmung kurz Winter und gegen Januar gleich wieder Frühling.
Die letzten Wochen und Monate habe ich meine Zeit an der Nähmaschine eng anhand der Wettervorhersage geplant. Das liegt nicht nur daran, dass ich das bisschen Sommer geniessen will, sondern begründet sich auch in der Tatsache, dass mein Nähatelier unter dem Dach eines schlecht bis kaum isolierten Miethauses ist. Folglich ist es dort oben im Sommer brütend heiss.
Heute ist so ein Tag. Am Vormittag konnte ich noch ein paar Kleinigkeiten erledigen. Danach bin ich schnurstracks in den Garten, um erst Fotos zu machen und mich dann auf die Liege zu werfen. Auch jetzt sitze ich noch in der Sonne und tippsel auf meinem Tablett den heutigen Beitrag. Und laut Wettervorhersage werde ich in den nächsten Tagen eher am Abend oder am morgen nähen, dafür tagsüber die Sonne geniessen. Ja, es ist schon reichlich luxoriös wenn man die Möglichkeit dazu hat, aber alles hat auch seinen Preis. Wer denkt, er würde jetzt gern mit mir tauschen, sollte sich darüber im Klaren sein, dass das Tauschpaket ein Komplettset ist und sich einige unangenehme Überraschungen darin befinden.
Es gab Zeiten, da hätte ich auf der Stelle tauschen wollen. Doch die Zeiten sind hoffentlich vorbei. Mir gefällt mein Leben und um das sagen zu können, musste ich sehr, sehr viel ertragen, lernen und immer wieder üben. Eine der wichtigsten Lektionen war, zu akzeptieren. Und ich glaube, sie war für mich auch die Schwerste. Mein innerer Kampf gegen mich selbst, meine Depressionen, meine Unzulänglickeiten, usw. stand Tag für Tag ganz oben auf der Agenda. Menschen, die mir sagten, ich muss es eben akzeptieren, lächelte ich zwar an, murmelte ein “ja”, aber in mir schrie ich immer lauter “UND WIE, BITTE SEHR?” Ich fühlte mich noch schlechter und ungenügender. Der Kreislauf begann von vorn.
Es müssen nicht immer gleich Depressionen und Selbstzweifel sein. Manchmal hat man Erwartungen, Hoffnungen, Wünsche, die nicht in Erfüllung gehen oder es einfach mal ander kommt, als erwartet. Da ist es wichtig, irgendwann loszulassen. Wie schwierig es ist, las ich heute in der aktuellen Ausgabe von Zeit Wissen. Darin berichtet eine Therapeutin, dass sie es selbst erst lernen musste, um ihren Klienten erfolgreich behandeln zu können. Ein sehr empfehlenswerter Artikel, der mich tatsächlich so beschäftigt hat, dass dieser Blogbeitrag fast von allein seine Wendung vom Thema Sommer und Nähen zu akzeptieren wechselt.
Es ist wie es ist
Ich kann leider keine Anleitung geben, wie man etwas, sich selbst, die Lebensumstände oder Vorkommnisse akzeptiert. Bei mir war es ein schleichender Prozess, in dem ich Schritt für Schritt lernte mich und mein Leben mit allem Drum und Dran anzunehmen. Ich muss nicht mehr täglich dagegen ankämpfen oder versuchen, jemand anderer zu werden. Stattdessen habe ich mehr Energie zur Verfügung. Das heisst jetzt aber nicht, dass ich jeden morgen mit bester Laune aus dem Bett springe und fröhlich durch den Tag tanze. Es gibt immer wieder Tage, da wache ich entweder schon niedergeschlagen auf oder es ereilt mich irgend wann später. Meine Initialreaktion ist immer noch die alte: Dagegen kämpfen! Aber sobald ich mich dabei ertappe, kann ich mich heute besinnen, kann loslassen und sagen “es ist wie es ist.” Und mit genau diesem Loslassen kommt eine Entspannung. Ich höre in mich rein, schaue, was mir fehlt, was ich brauche und handel danach. Wenn ich zu viel genäht habe, mache ich eine bewusste Pause und Ruhe mich aus. Wenn ich durch zu viele kreative Ausbrüche den Kontakt zu mir verliere, gehe ich joggen, um den Kopf frei zu bekommen und die Ideen besser sortieren kann. Und wenn das alles nichts bringt, dann bleibe ich eben niedergeschlagen. Aber das Rausgehen, ob Joggen oder nur gehen, dass hilft eigentlich immer, weil ich hinterher immer stolz bin, dass ich es gemacht habe. Mit der körperlichen Bewegung kommen auch die Gedanken in Bewegung. Das diese Dinge, auch Körperhaltung, Auswirkungen auf die Psyche haben, ist mittlerweile durch die moderne Gehirnforschung nachgewiesen. Aber man muss es üben. Immer wieder, weil die alten Muster nicht verschwinden.
Vorbild Wetter
Ohne es geplant zu haben, bekomme ich jetzt ganz wunderbar wieder den Bogen zu dem Thema, mit dem ich begann. Wir können das Wetter nicht ändern. Wenn es einen verregneten Sommer wie diesen gibt, dann können wir so viel meckern wie wir wollen, dass Wetter wird dadurch nicht besser. Aber was wir ändern können ist unsere Einstellung, Haltung dazu und ggf. die richtige Kleidung. Fällt das Familienpicknick wegen Regen aus, so kann man ja gern erstmal enttäuscht sein, aber vielleicht findet man eine Alternative (habt Ihr schon mal Picknick im Wohnzimmer gemacht? – ich schon, weil in der ersten Wohnung nach meiner Scheidung am Anfang ein Tisch fehlte und ich einfach ein Tischtuch auf den Boden legte. Einer meiner Söhne sagt mir immer mal wieder, wie gern er sich daran erinnert.) Wer sich ewig darüber ärgert, dass dieses Picknick nun nicht wie geplant stattfinden kann, wird keine Alternative finden. Man klebt förmlich an der Entäuschung. Das ist, wie gesagt für einen Mooment völlig in Ordnung, aber dann heisst es Loslassenn und nach Alternativen schauen. Manchmal kommt dabei etwas noch Schöneres zustande, als geplant.
Ein kleines Beispiel aus meinem Leben. vor einigen Jahren planten mein Partner und ich einen tollen Abend in Frankfurt. Wir wollten mexikanisch essen gehen, aber das Restaurant war hoffnungslos überfüllt. Der Kellner riet uns, später noch einmal wiederzukommen. Wir gingen in ein kleines Café, tranken Kaffee und gingen dann wieder zum Restaurant. Die Situation hatte sich nicht gebessert, vielleicht sogar verrschlimmert. Wir gaben auf und entschieden uns, ein anderes mexikanisches Restaurant aufzusuchen. Wir fuhren gut 20 – 30 Minuten, kamen an und bekamen einen Platz. Aber als wir bestellen wollten, sagte man uns freundlicch, dass die Küche bereits geschlossen hätte. Getränke gäbe es aber noch. Wir hatten aber Hunger. Es war mittlerweile nach 23:00 Uhr. Ganz in der Nähe gab es einen Burgerladen. Dort stillten wir unseren Hunger. Danach fuhren wir eine Tankstelle an, kauften einen Sixpack Bier und fuhren auf einen kleinen Berg (für norddeutsche Verhältnisse ein Berg, für Alpenbewohner ein Hügel), setzten uns auf eine Bank, tranken unser Bier und genossen den Blick auf die Stadt. Und genau an diesen Abend erinnern wir uns immer wieder gern. Wenn wir heute einen schönen Abend planen, aber mal wieder nicht reserviert haben, sagen wir immer: “Zur Not geht es mit einem Sixpack auf den Johannisberg!”
Ist das hier nicht auch ein Nähblog?
Das hätte ich ja jetzt fast vergessen und die Überleitung kommt abrupt. Aber es ist wie es ist.
Nach dem Probenähen der Juniper von Anniways Schnittmuster wollte ich noch unbedingt eine Shorts machen. Eine weitere bequeme aus Jeansjersey, wenn die andere mal in der Wäsche ist. Die hatte ich vor einer Weile aus einem anderen Schnitt mit Anpassungen gemacht und wählte für die 2. Hose den Juniperschnitt. Da das Material elastisch ist, nahm ich die Bundfalten raus und kürzte sie auf Shorts.
Jeansjersey ist ja wirklich toll, aber eine echte Shorts aus Jeans wollte ich auch noch machen. Ich habe zwar 2 Paar gekaufte Shorts im Schrank, aber weil sie nicht selbstgemacht sind, mag ich sie im Moment nicht tragen. Also nochmal die Juniper, diesmal mit Bundfalten. Der Denim, den ich verwendet habe enthält keinerlei Elasthan und ist relativ dick. Darum war mir von Anfang an klar, dass ich den Bund nicht aus deinem doppelt gefalteten Jeansstück machen würde, weil es einfach zu dick und wurstig werden würde. So schnitt ich das Bundteil der Länge nach nur zur Hälfte zu, schnitt aus dunkelblauen Leinen einen neuen Streifen zu, nähte ihn an den Denimstreifen und zum Schluss an die Hose. So ist jetzt aussen der Jeansstoff und innen der Leinenstoff.
Da bei mir eigentlich nie hintere Hosentaschen fehlen dürfen, setzte ich sie auf, wie es sich für eine Jeans gehört. Wäre schnell gegangen, hätte ich nicht noch den Gedanken gehabt, dass ich sie besticken will. So saß ich gestern mit 2 einzelnen Hosentaschen im Garten und grübelte über ein Muster nach. Mir fiel nix ein. Dann kam die Idee: Ich vernachlässige so oft die Label an meiner Kleidung. Allein vom praktischen Aspekt eine blöde Angewohnheit, weil ich z.B. bei Shirts nicht sofort erkenne, wo hinten und vorne ist. Anstatt jetzt ein Label für die Hose zu vergessen, verzierte ich die Hosentaschen einfach mit meinen Initialen. Für meinen ersten Freihand-Stickversuch bin ich ganz zufrieden. Und die Hose geht nicht so schnell verloren! Steht ja mein Name drauf – gut, wenn Jennifer Lopez behauptet, es wäre ihre, könnte es schwierig werden.
Eigentlich wollte ich jetzt noch etwas zu den Tops schreiben, aber das wird gerade zu viel, weil ich ja unbedingt über Wetter, Sommer und Loslassen schreiben wollte.
Ich werde dazu einen seperaten Post in den nächsten Tagen machen, der dann mit weniger Text einhergeht und sich auf die Oberteile konzentriert, denn die sind auch alle selbstgemacht.
XUnd wie binde ich jetzt meine Verlinkung zu Rums ein – ups, schon passiert.
Fakten:
Schnittmuster für die Shorts: Anniways Schnittmuster, Hose Juniper
Stoffe: Jeansjersey (oder war es Romanit) von Das Königskind, Friedberg
Der Denim ist ein gut gereifter und abgehangener Jeansstoff unbekannter Herkunft. Meiner Expertise nach ist es ein 2012 Jahrgangsstoff, trocken, luftdicht gereift und im Abgang sehr weich.
Habt einen sonnigen Donnerstag!
Eure
Liebe Julia!
Mir gefällt deine Einstellung, das Beste draus zu machen. Generell ist das auch mein Motto. Immer gelingt es allerdings nicht so einfach, aber das ist ja eh bekannt.
Übrigens lieben wir das Picknick im Wohnzimmer vorm Kachelofen 😃
Du hast diesen Sommer ganz schön viel geschafft und dir tolle Sachen genäht! Ich finde du bist überhaupt voll durchgestartet! Du KANNST stolz auf dich sein!
Ich fand den letzten Beitrag “ich kann einen Jumsuit tragen” schon toll. Mit dem kommentieren komm ich nur nicht hinterher!
Weiter so! Ich lese deine Beiträge sehr gerne!
Glg
Kicki
Und die Hosentaschen sind echt der Hit! Tolle Idee! Die JLO wird vor Neid erblassen 😉
Vielen Dank für diesen sehr aufwendigen Post. Tolle Einstellung. Leider wird alles immer mehr ins negative interpretiert. Da muss man aufpassen nicht mit rein zu rutschen. Es ist immer schwierig und kein leichter Weg aus der Geraden abzuweichen. Tun die meisten eben nicht. Auch wenn dies kein super Sommer war, konnte ich mich oft per Rad bewegen und auf unserer Radtour durch Westfalen stimmte 7 Tage lang das Wetter. Rad und Regen ist ziemlich unangenehm. Lach.
Dir ein schönes Wochenende und herzlichen Gruß Sylvia
Liebe Julia,
ich finde deine Einstellung klasse und schön, dass du zu dieser Einstellung “gefunden” hast. Ich versuche auch immer das Positive zu sehen, allerdings klappt das mal besser mal schlechter. Aber besser, als es gar nicht erst zu versuchen. Ich neige auch dazu eher schwarz zu sehen.
Eine Zeitlang bin ich auch sehr oft Laufen gewesen, um den Kopf frei zu bekommen. Leider ist das im Moment total eingeschlafen… es gib immer irgendwelche Ausreden. Dabei tut es einem wirklich gut! Wie du schon geschrieben hast: man ist Stolz es gemacht zu haben!
Deine Hose ist klasse! Pff JLO kann einpacken! 😉 Die Hose steht dir total toll. Richtig cool mit den Initialen. ♥
Und das Bild, wo du die Hände in die Seiten stemmst, ist einfach toll! Das sagt einfach alles aus, was du vorher geschrieben hast: ” So, hier bin ich. Wenn was nicht passt, wirds passend gemacht!”
Fühl dich gedrückt!
Jenni
[…] auf die Oberteile zu richten. Wer etwas zu den Unterteilen wissen möchte, kann gern nochmal hier […]