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Ich habe bereits schon diverse Stoffe vernäht… von der einfachen Baumwolle über Strick, echtes und Kunstleder, Softshell bis hin zu einem echten Pelz.
Wer näht hat nicht immer nur mit einem komplizierten oder schlecht erklärten Schnittmuster zu kämpfen, sondern manchmal auch mit den besonderen Eigenheiten von Stoffen.
Vor ein paar Wochen wurde ich von Bettina von Versandstoff.de gefragt, ob ich einige Stoffe von Ihr als Designbeispiele vernähen würde. Zur Auswahl standen viele wundeschöne Materialien, aber wir beide waren uns schnell darüber einig, dass ich aus einem Teil ihres Angebotes ein Komplettoutfit machen würde.
Und wie es für mich eigentlich nicht verwunderlich ist, wählte ich 3 Stoffe, die beim Vernähen ein wenig Geschick erfordern.
1. Gesmokter Jersey
Dies war mein erster Stoff und ich hatte von Anfang an den Schnitt Pony Hütchen von Schnittmuster Berlin im Kopf. Bei dem gesmokten Jersey handelt es sich um ein Stoff, der insbesondere in die Längsrichtung noch dehnbarer ist, als alle anderen Jerseys. Ob mit der Overlock und/oder der normalen Nähmaschine gilt: Auf keinen Fall beim Nähen dehnen!
Im Grunde braucht dieses Material keine Versäuberung. Da ich aber eine Overlock habe, mache ich insbesondere bei diesem Material die Naht in einem Aufwasch. Das bedeutet, Versäubern und Naht in einem. Die Overlock stellte ich auf die dehnbarste Stufe ein, aber dennoch ergaben sich am Ende einige Wellen. Mit einem normalen Gradstich neben der Overlocknaht, waren diese Wellen jedoch weg. Wie es sich bei einer Coverlocknaht verhält, kann ich leider bisher nicht beurteilen, bin aber gesponserten Kooperationen gegenüber absolut aufgeschlossen.
Die Dehnung in Längsrichtung ist allerdings für die meisten Schnitte nicht so sehr relevant, weshalb ein normaler Gradstich der Nähmaschine ausreichen sollte. Für Säume und andere querverlaufende Nähte eignet sich die Overlock, Zwillingsnadel und alle anderen elastischen Stiche. Es ist jedoch auf jeden Fall ratsam, die Nähmaschine ein wenig “zu füttern”, d.h. den Stoff ein wenig zum Füsschen zu schieben ohne dass er sich kräuselt und eventuell den Nähfussdruck etwas zu verringern. Ein sehr wertvoller Tipp kommt aus dem Haus Schnittmuster Berlin, den ich hier unbedingt weitergeben möchte. Befestigt an der Schulternaht ein Nahtband, da sonst der Stoff schnell über die Schulter rutschen würde.
Übrigens hatte ich von dem Stoff 1,50m oder 1,60m bestellt und konnte zusätzlich zum Shirt noch einen Rock nähen.
2. Glanzlederimitat
Gleich vorne weg: Wer über einen Teflonnähfuss verfügt, möge diesen hier nutzen und den restlichen Absatz überspringen. Und…. so ein Glanzleder hat schnell einen anrüchigen Touch. Richtig kombiniert hingegen kann dieser Stoff durchaus ein Hingucker sein. Seit ich dieses Material hatte, ist mir aufgefallen, wieviele Frauen bereits Teile aus Lacklederimitat tragen und es sieht sehr schick aus.
Allen anderen sei folgender Tipp ans Herz gelegt: Glanzlederimitat und auch anderes Kunstleder ‚klebt‘ gern am Nähfuss. Dieser Glanzlederstoff klebte sogar so sehr, dass sich Stecknadeln mehr oder minder erübrigten. Näht man rechts auf rechts ist alles problemlos, weil die Unterseite aus Textil besteht, welches übrigens zu einem sehr angenehmen Tragegefühl beiträgt.
Sobald man aber die rechte Seite oben hat, wird es mit dem Transport schwierig. Hier gibt es eine relativ einfache Lösung. Man nimmt ein Stück Seidenpapier und legt es an die zu nähende Naht so nah wie möglich. Damit ist die Hälfte des Nähfusses abgedeckt. Das reicht für eine saubere Naht.
Wichtig bei allen Kunstlederarten… wählt eine größere Stichlänge. Ob Taschen oder Kleidung: Mit einer kurzen Stichlänge wird das Material sonst perforiert. Und wer will schon seine Teile an der Naht abtrennen wollen wie eine Briefmarke von der anderen? Alles zwischen einer Stichlänge von 3,10 bis 4,00 (eventuell sogar höher, aber bitte nicht 5. Die Stichlänge ist nur zum Kräuseln gedacht) geht. Ich steppe meine Nähte mit 3.4 zusammen.
3. Locker gewebter Wollstoff
Tja, hier traf mich die Beschaffenheit des Stoffes ein wenig kalt, auch wenn ich schon vorher mit ähnlichen Qualitäten gearbeitet hatte. Der Stoff auf dem Bild ist eine hervorragende Qualität, jedoch relativ locker gewebt. Was heißt das für Eure Nähprojekte?
– Verstärken, verstärken, verstärken. Das bedeutet jetzt natürlich nicht, dass Ihr extra starke Vlieseline nehmen müsst. Die Qualität H180 hat bei mir gereicht. Allerdings hätte ich am Ende noch lieber eine Einlage genommen, die speziell für die Verstärkung von Vorderteilen ist. Da gibt es diverse Qualitäten auch aus leichten Gewebestoffen oder mit eingearbeiteten Längsfäden zum Aufbügeln. Sehr empfehlenswert ist übrigens die Produktinfo von Freudenberg Vlieseline auf ihrer eigenen Webseite, denn Einlage ist nicht gleich Einlage.
Die Verstärkung brachte ich nachträglich komplett auf beide Vorderteile auf, nachdem sich der Wollstoff im ersten Versuch zu stark verzogen hatte. So konnte ich meine Jacke noch Retten. Mit den Fleeceaussentaschen liege ich modisch gesehen direkt im Trend. In Italien wie auch bei französischen Modeanbietern habe ich diverse Mäntel und Jacken mit dieser Art Plüschtaschen gesehen.
4. Mit Stoffen experimentieren
In meiner langjährigen Nähgeschichte habe ich immer wieder mit Stoffen experimentiert, die für den jeweiligen Schnitt nicht empfohlen wurden. Dabei erlebte ich diverse Reinfälle aber sammelte auch reichlich Erfahrung durch ‚Learning by doing‘. Mancher Schnitt, der für elastische Stoffe entworfen wurde, lässt sich auch mit Webware umsetzen. Dabei spielen aber diverse Faktoren eine wichtige Rolle. Je mehr ein Schnitt ‚Oversized‘ entworfen wurde, desto eher gelingt die Umsetzung mit Webware. Ist er hingegen figurnaher, umso mehr muss man gewisse Eigenheiten beachten oder besser gleich zum empfohlenen Stoff greifen.
5. Kombination Stoff – Schnitt
Mit meinem ersten Teil, dem Pony Hütchen musste ich bis auf die Besonderheiten des Stoffes nichts weiter beachten.
Ähnlich war es bei dem Glanzleder. Die Cassie Pants von Ellepuls liess ich unverändert,. Die Ziernähte jedoch beschränkte ich von 2 parallel verlaufenden Nähten auf eine. Das schadet dem Look überhaupt nicht, aber meinen Nerven.
Für den Mantel/Blazer wählte ich den Schnitt La Hemera von Schnittgeflüster. Dieser Schnitt ist für elastische Stoffe entworfen worden. Indem ich eine Nummer größer wählte, konnte ich die Jacke auch mit Webware nähen. Eine der Anpassungen der La Hemera sind die Knöpfe. Insbesondere im Herbst brauche ich etwas zum Verschliessen. Gürtel sind für mich in der Hinsicht keine Option. Ich habe die La Hemera schon mit Gürteln gesehen und finde sie toll. Aber ich persönlich komme mir Gürteln nicht zurecht.
Die Hemera hat jedoch ungeahnte Möglichkeiten für Knöpfe und wird somit zu einem vollständigen Blazer. Den Schnitt für das Futter kann als Freebie auf der Seite von Schnittgeflüster heruntergeladen werden. Allerdings gibt es für das Einnähen keine Anleitung. Wer aber bereits Erfahrung mit dem Füttern hat, wird das problemlos schaffen.
Die Fakten:
Schnitte: Shirt, Pony Hütchen von Schnittmuster Berlin. Hose, Cassie Bikerleggings von Ellepuls, Mantel/Jacke, La Hemera von Schnittgeflüster
Stoffe: Alle Stoffe, bis auf die weiße Bluse von Versandstoff.de, die mir freundlicher Weise zur Verfügung gestellt wurden.
Verlinkungen: Du für Dich am Donnerstag, Sewlala, Wof, Freutag
Liebe Julia,
der Mantel La Hemera ist total schön. ich möchte ihn gerne nähen, aber ohne Knöpfe, das geht natürlich gar nicht!! was muss ich ändern, damit ich Knöpfe annähen kann? muss der Schnitt erweitert werden und wie?? danke für Deine Hilfe. LG Heidi
Liebe Heidi,
ich denke, es kommt darauf an, ob Du einen leicht elastischen Stoff nimmst, oder nicht. Bei dem elastischen Stoff habe ich nichts weiter beachtet. Sobald Du die Vorderteile überlappen kannst, gehen auch Knöpfe dran. Zur Not gehen auch Verschlussschnallen. Bei einer unelastischen Webware solltest Du ohnehin eine größere Größe wählen.
Ich hoffe, ich konnte Dir helfen.
Liebe Grüße,
Julia
Liebe Julia,
vielen Dank, ich werde es versuchen!