Stoffe
Ich selbst habe es gemacht und viele machen es gerade oder haben es vor: Eine Zeit lang keine neue Kleidung kaufen. Die Hashtags #diydontbuy, #nähenstattkaufen finden immer mehr Anhänger und es ist prinzipiell eine gute Sache.

Ich habe es eher unbewusst von Mai 2017 bis Mai 2018 durchgezogen. Und auch seither habe ich bisher wenig Kleidung gekauft, auch aus ideologischen Gründen aber vor allem, weil ich einfach sehr gerne meine selbstgefertigte Kleidung trage – mit viel Stolz und Freude ( siehe Warum ich nähe)


In letzter Zeit habe ich mir vermeht Gedanken über mein eigenes Konsumverhalten in Bezug aufs Nähen gemacht. Es geht bei mir selbst los. Wer kennt es nicht? – Was gestern die Klamotten waren, sind heute die Stoffe. Ich habe ein prall gefülltes Stofflager und meine dennoch, dass ich unbedingt noch diesen einen angepriesenen Stoff haben muss. Oder ich sehe ihn bei anderen und will ihn auch. Durch meinen Umzug konnte ich mal alles sichten und war erstaunt, wieviele ich tatsächlich nicht mehr erinnerte. Trotzdem habe ich zwischenzeitlich neue Stoffe bestellt. Hingegen habe ich meine Stoffreste um mehr als 3/4 reduziert, weil ich am Ende tatsächlich keine 3 x 7,5 cm mehr benutze. Und schliesslich fallen ja auch neue Reste wieder an.
Schnittmuster
Auch Schnittmuster habe ich sehr viele. Allein durch Probe- und Designnähen bin ich gut ausgestattet. Dazu kommen dann noch diverse Ebooks auf meiner Festplatte, sowie Schnittmusterzeitschriften. Ins besondere den Bestand der Zeitschriften habe ich letztens rigoros reduziert. Ich kenne mich mittlerweile. In den seltensten Fällen mache ich mir die Mühe und pause aus dem Strichsalat Schnittteile ab. Da klebe ich lieber 40 Seiten zusammen. Und Burda bietet seine Schnitte auch zum Download an. Warum also aufbewahren?

Aus Slow Fashion wird Fast Design
Während ich also fleissig ausgemistet habe, fiel mir wieder ein Gespräch mit einer Schnittdesignerin ein, die mir erzählte, dass die meisten ihrer Schnitte kurz nach Veröffentlichung verkauft werden. Nach ein paar Monaten geht da kaum noch was. Ähnliches hörte ich dann auch von anderen Designern.
Die Designer, die mit ihren Schnitten Geld verdienen wollen, stehen bei der Menge, die es mittlerweile allein in Deutschland gibt, unter Druck. Kaum ist ein Probenähen vorbei, kommt schon das Nächste. Es gibt Zeiten, da müsste ich eigentlich 3 mal wöchentlich einen Blogbeitrag für einen neuen Schnitt schreiben.

Allein deshalb habe ich meine Teilnahme an Probenähen stark reduziert. Ich würde auch nicht mehr allen mit der gleichen Begeisterung gerecht werden. Und gerade bei den Basics gibt es so viele ähnliche Schnitte, dass man kaum noch Unterschiede bemerkt. Ich bekomme manchmal den Eindruck, dass wir, die potentiellen Käufer, diesen Druck schüren, weil wir nach immer neuen Schnitten gieren. Das ist nur eine Vermutung und keinesfalls durch irgendwelche Erhebungen belegt. Letztlich ist die Frage: Was war zuerst – Henne oder Ei? Ständig neue Schnittmuster der Designer, um zu verkaufen oder unser Verlangen danach?

Capsule Patterns
In der letzten Zeit habe ich eine Leidenschaft in mir entdeckt, die schon immer mal ansatzweise durchkam, mir aber noch nicht so richtig bewusst war. Ich liebe es, Schnitte abzuwandeln. Fast alle bekannten Ebooks bieten bereits diverse Variationen ihres Schnittes an z.B. La Glenna von Schnittgeflüster), aber ich merkte schnell, dass da noch mehr möglich ist. Vor allem, wenn man verschiedene Schnittmuster miteinander verbindet.

Das ich schon fast mein ganzes Leben (mit Unterbrechungen) nähe, ist vielen von Euch bereits bekannt. Als reine Autodidaktin habe ich reichlich Fehler gemacht und daraus gelernt. Darum kann ich heute immer öfter Schnitte miteinander kombinieren, wenn ich einige Punkte beachte. Jersey und Strick verzeihen da am Anfang diverse Ungenauigkeiten.


Während viele sich gerade mit dem Thema Capsule Wardrobe auseinandersetzen, beschäftige ich mich mit „Capsule Patterns“. Ich weiss gar nicht, ob es den Begriff schon gibt. Wenn nicht habe ich ihn gerade erfunden und – Peng! Copyright!!!
Eine gute Investition war letztens das Buch „Breaking the Pattern“ von Named Clothing. Einige Modelle gefallen mir sehr gut, genäht habe ich bisher ein Kleid, aber insgesamt 4 mal. Und normalerweise kaufe ich kaum Bücher mit Schnittmustern, aber das zeitlose Design der finnischen Schwestern ist sehr vielversprechend.
Aus dem Kleid Ruska machte ich neben dem eigentlichen Schnitt noch ein kurzes Kleid aus Sweat mit einer Kapuze (ausgeliehen bei La Glenna von Schnittgeflüster), einen langen Strickrock (ab Taille nur den Rock verlängert und genäht) und ein Kleid mit Rollkragen (Trudy Turtleneck von Wardrobe by me) aus einem festen Ponte Jersey.




Das Problem nicht verlagern
Auch wenn ich mich beim Einkauf von Kleidung zurückhalte – teils um die Modeunternehmen nicht weiter im Hinblick auf schlechte Arbeitsbedingungen zu unterstützen, teils weil es mir Spass macht, meine Kleidung selbst zu nähen – bemerke ich, dass sich mein Konsumverhalten vielleicht ein wenig verändert, aber größtenteils einfach verlagert hat. Stoffe bleiben einfach eine Leidenschaft, aber bevor ich neue Meterware kaufe, möchte ich erstmal innehalten und schauen, was ich noch habe. Oft genug bekomme ich neue Stoffe zum Designnähen zur Verfügung gestellt. Die Schnitte, die ich bereits habe, möchte ich weiterhin in Bezug auf Variationsmöglichkeiten ausreizen. Dabei lerne ich viel und kann mich wieder kreativer austoben. Ob ich jemals Minimalist werde ? – keine Ahnung.

Für mich wäre das eine Win-Win-Situation und wenn Ihr daran Interesse habt, versuche ich hier ein bisschen mehr darüber zu berichten und einige Anleitungen zu Pattern-Hacks zu zeigen.

Die Fakten
Schnitte:
Kleid Ruska aus dem Buch Breaking the Pattern von Named Clothing ; einzelne Element von Schnittgeflüster, Wardrobe by me
Material
Blauer Strickstoff – wenn ich mich nur daran erinnern könnte.
Roter Strickstoff – Milliblus(Vorjahreskollektion)
Pontejersey – Stoff und Stil
Sweat – Dresowka
Bänder – Pepelinchen
Verlinkungen
Hallo Julia,
mal wieder ein interessanter Beitrag. Ich glaube das mit dem verlagerten Konsum geht vielen NäherInnen so. Vor allem Schnittmuster werden oft vergessen. Durch die Möglichkeit der EBooks kann man ja auch viel konsumieren, ohne, dass es viel Platz im Raum einnimmt, dadurch kann man das gut vergessen. Auch wenn ich seit ich nähe tatsächlich keine Kleidung mehr gekauft habe, einfach weil das Nähen viel reizvoller war, bin ich mit meinem Konsumverhalten sehr unzufrieden. Ich kaufe schon seit ca. einem halben Jahr kaum noch Schnittmuster, weil ich es ähnlich beobachte wie du: Viele ähneln sich und interessante Details kann ich auch selber abändern. Das macht erstens Spaß zu experimentieren, bringt mehr Verständnis beim Nähen. Vielleicht entdeckt man sogar andere Blogs auf der Suche nach geeigneten Tutorials oder nutzt die Nachschlagewerke, die sonst vergessen bei einem Liegen. Deinen Blog habe ich auf diesem Weg gefunden. Besonders schade an der Entwicklung bei dem hohen Schnittmuster Output: Einmal natürlich für die Designer, wie du so schön beschrieben hast und dann finde ich macht man sich selbst aber auch so abhängig. Indem ich Unmengen an verschiedenen ähnlichen Schnittmustern habe, lerne ich garnicht wie ich etwas nach meinen Wünschen abändern kann. Doch viele Beginnen erst mit dem Nähen, weil sie unabhängig von der Modeindustrie und der Fast Fashion sein wollen. Wie unabhängig ist man also wirklich, wenn sich zu sehr auf die Schnittmuster versteift wird. Schon seltsam, dass das Offensichtliche so weit weg erscheint. Ich freue mich, wenn du weiter ein paar Inspirationen gibst, wie du deine Schnittmuster abänderst und Tutorials dazu veröffentlichst. 🙂
Liebe Grüße,
Sarah
Hallo Sarah, vielen Dank für Deinen Kommentar und den Einsichten, mit denen Du ganz wunderbar meinen Beitrag ergänzt.
Ich will keinem Schnittdesigner ins Geschäft pfuschen oder sie mit dem, was ich schreibe, kritisieren. Es ist letztlich das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Wer bestimmt am Ende was? Anstatt ständig Werbung für neue Schnitte zu machen, sollte man auch Ältere mit der gleichen Hingabe bewerben.
Ich werde dann mit dem Vorhaben in diesem Jahr durchstarten. Jetzt muss ich mich nur dazu anhalten, meine Änderungen auch zu dokumentieren 😂 Meist bin ich schneller fertig und bemerke erst hinterher, dass ich Fotos hätte machen sollen.
Liebe Grüße,
Julia
Hallo Julia,
ich finde das hast du auch sehr gut beschrieben, ohne Designer über einen Kamm zu scheren. Es gibt hierbei keinen Bösen. Wie du sagst, es gibt beide Seiten. 🙂
Und stimmt, für “Ältere” sehe ich kaum Werbung für Schnittmuster in dem Maß. Das ist eine echte Lücke.
😀 Das mit den Fotos kann ich mir gut vorstellen. Vor allem wenn man einiges spontan umsetzt.
Hihi, ja, ich bin da sehr spontan und letztlich auch völlig vertieft. Aber es hat vorher auch schon geklappt. Also besteht da die Chance auf Besserung 😊