
Wenn man im Sommer eine Geschichte mit: “Letzten Freitag fuhren wir um 10:00 Uhr mit dem Auto über die Autobahn nach…” beginnt, wird mit Sicherheit irgendwann zwangsläufig das Wort “Stau” erwähnt.
Eine ehemalige Arbeitskollegin meines Partners hatte letztes Jahr ihren langjährigen Partner geheiratet und angekündigt, dass sie im August 2017 auf einem Acker mit einem großen Fest die Hochzeit feiern wollte. Wir hatten sofort zugesagt und das Angebot angenommen, auf einem in der Nähe liegenden Campingplatz in einem Mobile Home zu übernachten.
Und so fuhren wir letzten Freitag um 10:00 mit dem Auto über Frankfurt, um noch eine Freundin abzuholen, auf die Autobahn nach Horb am Neckar und standen natürlich immer mal wieder im Stau, aber dafür, dass es ein Freitag war, ging es. Man wird mit der Zeit was Autobahnen betrifft, anspruchloser.
Für mich als Nähjunkie, der diesen Sommer fast ausschliesslich selbstgenähte Kleidung trägt, war es Pflicht, mir das passende Kleid zu nähen.
Dafür hatte ich mir das Susie Slip Dress von Wardrobe by me auserkoren und mir den passenden Stoff, einen Kobisho, besorgt.
Für mich stand fest, dass Kleid werde ich anziehen, obwohl ich wusste, dass die Feier in einem Festzelt stattfindet und die letzten Wochen gezeigt hatten, dass der Sommer dieses Jahr sehr unberechenbar ist.
Der 5. August nahte und ich schaute gespannt in die Wetter App, die Sonnenschein vorhersagte. Das war vorletzte Woche. Die Vorhersagen wechselten sich so munter ab, wie das Wetter. Entweder richtig heiss oder heftiger Platzregen.
Und als die Braut dann noch sagte, es wäre gut, man hätte das passende Schuhwerk für einen eventuell matschigen Acker, setzte ich mich letzten Sonntag an den Computer und durchstöberte alle gängigen Onlineläden nach Gummistiefeln, war aber nicht bereit 50 Euro und mehr dafür auszugeben. Die Bildersuche bei Google zeigte mir ein krass pinkes Paar Gummistiefeletten an, für 15€, in meiner Größe, ohne Versandkosten und sofort lieferbar.
Am Dienstag waren sie da und ich fand sie so obergenial, dass ich jetzt tatsächlich etwas enttäuscht war, als die Wetterapp konstant jeden Tag anzeigte, es wäre sonnig und über 27 Grad. Für das Kleid war es gut, für Gummistiefel weniger.
Noch am Freitag Abend gesellten wir uns zu den vielen fleißigen Helfern, die alles für die Feier am nächsten Tag vorbereiteten und hatten großen Spaß. Wir stellten einander vor und erklärten zu wem vom Hochzeitspaar wir wie in Verbindung stehen und woher wir kamen. Ein Freund von uns war mit seiner Familie direkt aus dem Urlaub in Litauen gekommen, stammt aber aus Potsdam. Als er dann sagte, er käme eigentlich aus Potsdam, wäre aber über Litauen, die Ukraine, Slowakei und Wien angereist, meinte einer der Helfer so wunderbar trocken “So ein Scheiß-Navi hatte ich auch mal”. Wir kriegten uns erstmal vor Lachen nicht ein. Und so lief es eigentlich das ganze Wochenende. Jeder hieß uns mit offenen Armen willkommen und wir waren sofort Teil der sehr dörflichen Gemeinschaft.
Am Abend machten wir uns zurück in unser Mobile Home, setzten uns auf die Terrasse und begannen unser Geschenk vorzubereiten. Die Eheleute wünschten sich Geld, aber so etwas überreicht man nicht einfach in einem Umschlag. Wir wussten seit wir die Beiden kennen, dass er sich einen Radlader wünscht und sie nicht mehr haben will, als einen Balkon. Sie wohnen in einem kleinen Ort in der Vor-Schwäbischen Alp, haben ein Haus, 2 Pferde und 13 Katzen. Mein Partner hatte noch aus den Zeiten seiner damals jüngeren Kinder einen Bausatz aus kleinen Ziegelsteinen. Und so machten wir uns daran, eine Garage zu mauern, obendrauf einen Balkon/Terrasse, hatten einen Spielzeugradlader, 2 Pferde (gut, eins war ein Zebra, aber wir nannten es einfach gestreiftes Pferd) und zählten aus einer Katjes-Tüte 13 Katzen ab.
Für das Geld mauerten wir extra einen kleinen Verschlag und deckten ihn mit Ziegeln ab. Spätestens beim Einrollen der Scheine war ich das erstem Mal richtig froh, dass ich so ein nachlässiger Fadenabschneider bei meiner Kleidung bin. Wir hatten nämlich den Platz für das Geld sehr knapp bemessen und hatten nichts dabei, um die Scheine zu fixieren. Ein Gummiband wäre ideal gewesen, aber gab es nicht. Tesafilm auch nicht und die Klebeverschlüsse von Taschentüchern hielten nicht. Da machte ich mich an meine Reisetasche und durchwühlte alle selbstgenähten Teile, die ich dabei hatte und schnitt übrig gebliebene Fäden ab. Alle aneinandergeknotet und wir hatten etwas, womit wir die Geldscheine fixieren konnten.
Der nächste Tag begann mit heißen Temperaturen und es war nicht daran zu denken, Gummistiefel anzuziehen, ohne die restliche Gesellschaft mit Käsegestank zu vertreiben. So zog ich erstmal Sandalen an – ein wenig enttäuscht. Wir standen draußen zum Sektempfang, den Eheleuten wurde gratuliert und dann ging es los: Eine dunkle Wolke entlud ihren Regen direkt über den Festplatz. Alle flüchteten nach drinnen und ich schaute voller Wonne zu, wie der Boden immer matschiger wurde. Als der letzte Tropfen gefallen war, lief ich sofort zu unserem Haus und holte die Gummistiefeleltten hervor.
Als ich zurückkam, standen am Eingang des Zeltes ca. 5 – 6 Männer und ob Ihr es glaubt oder nicht – sie stellten sofort ihre Unterhaltung ein, schauten auf meine Stiefel und ließen nur positive Kommentare zurück. Was fühlte ich mich gut. Und tatsächlich ging es den Rest des Abends so weiter. Ich wurde so oft auf meine Stiefel angesprochen, dass ich schon dachte, ich sollte dringend den günstigen Schuhladen mit “D” anschreiben, um sie wissen zu lassen, dass ich hier gerade einen Haufen potentieller Kunden auftreibe.
Nach dem Regen und insbesondere als die Sonne untergegangen war, wurde es zunehmend kühler und da ging mein Plan C auf. Neben dem Slip Dress hatte ich auch meinen Jumpsuit von Named Clothing eingepackt, den ich eigentlich als Alternativ-Outfit mitgenommen hatte. Da unsere Behausung aber nur einen Steinwurf vom Festzelt entfernt war, konnte ich mich umziehen. Ich hatte es vorher getestet, ob die Stiefel auch zum Jumpsuit passen und so konnte ich sie anlassen.
Es war eine wunderschöne Feier. Alles stimmte. Die Menschen, die liebevolle Dekoration, die vorwiegend von der “Braut” selbst gemacht wurde, dass Ambiente, die Musik, die Stimmung, das Essen (vieles von Freunden mitgebracht) – eine perfekte Hochzeitsfeier. Die Stiefel bewährten sich sogar beim Tanzen und ich weiß schon jetzt, dass es nicht das letzte Mal gewesen sein wird, dass ich sie anhatte. Wenn ich wieder einmal nach Hamburg fahre, werde sie auch dort zum Einsatz kommen.
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